Zwischen historischem Erbe und Innovation: 75 Jahre aachen tourist service

Mit Gastfreundschaft kennen sie sich in Aachen aus: Bereits im 17. Jahrhundert organisierten sich Bürger, um sich um Reisende in ihrer Stadt zu kümmern. Am 1. Februar 1949 wurde offiziell der Verkehrsverein Bad Aachen gegründet, aus dem schließlich der aachen tourist service e.v. (ats) hervorging. Und der feiert in diesem Jahr sein Jubiläum zum 75-jährigen Bestehen. Die Vorständinnen Katrin Hissel und Caroline Noerenberg blicken im Interview zurück und erzählen, was sie heute besonders beschäftigt.   

1949 wurde der Vorläufer des aachen tourist service ins Leben gerufen, das heißt, er wurde nur kurz nach Kriegsende gegründet, in einer Zeit, in der wahrscheinlich nur wenige an Urlaubsreisen gedacht haben. Wie kam es zu der Gründung und was waren die Aufgaben des Vereins in der ersten Zeit?

Katrin Hissel: Die Gründung des Verkehrsvereins Bad Aachen im Jahr 1949 so kurz nach dem Kriegsende mag ungewöhnlich erscheinen, wenn man an die Zerstörungen nach dem Zweiten Weltkrieg denkt. Aber Aachen war ja bereits vor den beiden Weltkriegen ein beliebtes Reiseziel. Insbesondere aufgrund seiner historischen Bedeutung als Krönungsstadt und seiner Thermalquellen. Man wollte zeigen, dass Aachen trotz der schweren Kriegsjahre weiterhin ein guter Ort für Reisende sein konnte. Die ersten Aufgaben des Vereins bestanden also darin, das Image der Stadt wieder aufzupäppeln und dabei behilflich zu sein, die nötige Infrastruktur für Gäste wiederherzustellen.

Vorständinnen aachen tourist service e.v. Katrin Hissel und Caroline Noerenberg
© aachen tourist service e.v./T.Kohlhaas

Caroline Noerenberg: Gesichert wissen wir es heute nicht, aber in den Zeiten stand der Wiederaufbau im Vordergrund. Das betraf für Aachen sicherlich auch den Tourismus, der ja auch wirtschaftlichen Nutzen versprach. Nach dem Krieg war es wichtig, die Stadt wieder attraktiv zu machen – sowohl für die Bürgerinnen und Bürger, als auch für Geschäftsreisende und für Menschen, die Erholung suchten. Dazu gehörten sowohl die Begleitung von infrastrukturellen Maßnahmen als auch die Förderung des kulturellen Lebens, um die Stadt wieder lebendig und attraktiv zu gestalten.

Sie selbst sind seit 25 beziehungsweise 11 Jahren in verschiedenen Rollen beim ats. Welche Veränderungen in der Gästenachfrage, aber auch in der Tourismusbranche in der Stadt beobachten Sie seitdem? Und wie haben sich auch die Aufgaben des Verbands in dieser Zeit gewandelt?

Noerenberg: Seit 11 Jahren begleite ich den ats, zunächst im Aufsichtsrat, jetzt als Vorstand in der operativen Geschäftsführung. In dieser Zeit habe ich insbesondere einen Wandel hin zu digitalen Angeboten und neuen Formen der Kommunikation erlebt. Die Gäste von heute sind viel selbstständiger in der Reiseplanung, sie informieren sich online und buchen viel kurzfristiger.

Und diese Entwicklung hat natürlich auch Einfluss auf unsere Arbeit: Wir bieten heute viele unserer Services digital an und arbeiten daran, die Stadt mit modernen, digitalen Konzepten für Touristen erlebbar zu machen. Außerdem hat sich das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in den letzten Jahren stark verändert – sowohl bei den Gästen als auch bei uns im Team.

Die Gäste von heute sind viel selbstständiger in der Reiseplanung.

Caroline Noerenberg
Vorständin aachen tourist service e.v.

Hissel: Ich habe bereits mit meinem Dualen Studium beim aachen tourist service gestartet und war danach in allen Abteilungen, bevor ich die Geschäftsführung übernommen habe. In diesen 25 Jahren hat sich vieles und nichts verändert. Unsere Attraktionen sind die gleichen, das Verhalten der Besucher dagegen wandelt sich ständig. Und dabei können und wollen wir nicht nur die Gäste ansprechen, sondern auch für Einwohner ein schönes Erlebnis schaffen. Stichwort: Lebensraummanager.

Was mich nachhaltig geprägt hat, war die veränderte Situation zur Tourismusfinanzierung. Als Verkehrsverein waren wir immer schon auf Zuschüsse angewiesen, aber irgendwann war absehbar, dass die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben immer weiter auseinander geht. Um diese Finanzierungslücke zu schließen, mussten wir, um nicht Services zu reduzieren, neue Geschäftsfelder entwickeln und diese an den Kunden bringen. Und letztendlich tun wir das bis heute.

Wie nehmen Sie Aachens Lage im Dreiländereck wahr? Ist es für Sie als Touristiker:innen eher eine Herausforderung oder eine besondere Chance?

Hissel:  Aachens Lage im Dreiländereck ist definitiv eine Chance. Diese geografische Besonderheit macht die Stadt in vielerlei Hinsicht spannend. Und wir nutzen gerne die Nähe zu Belgien und den Niederlanden, um überregionale Kooperationen zu fördern und grenzüberschreitende Projekte zu begleiten. Gerade im Kulturtourismus gibt es viele interessante Möglichkeiten, wie etwa gemeinsame Routen oder Veranstaltungen.

Noerenberg: Natürlich gibt es auch Herausforderungen, vor allem in der Abstimmung der verschiedenen Systeme, seien es Verkehrsmittel, Sprachen oder unterschiedliche Tourismusansätze. Aber diese Vielfalt ist gleichzeitig unser großer Vorteil, mit dem wir besonders viele Zielgruppen ansprechen können.

Wo sehen Sie aktuell die größten Chancen speziell für den Tourismus in Aachen, aber auch für den Tourismus in Nordrhein-Westfalen insgesamt?

Noerenberg: Der Bereich der Städtereisen und Kurzurlaube wächst stetig, da immer mehr Menschen nach kurzen, abwechslungsreichen Auszeiten suchen. In Aachen, wie auch in Nordrhein-Westfalen insgesamt, liegt eine große Chance in der Verknüpfung von urbanem und naturnahem Tourismus. Viele Städte bieten kulturelle Highlights, während die ländlichen Regionen Möglichkeiten zur Entspannung in der Natur bieten. In Aachen haben wir beides, das gilt es zu nutzen.

Gleichzeitig bietet Aachen noch viel Potenzial im Themengebiet Convention. Diese Abteilung bauen wir aktuell auch bei uns im Verein noch stärker aus. Durch den Wissenschaftsstandort mit der RWTH Aachen und dem Campus sowie die Start-Up-Szene ist der Anteil an Geschäftsreisenden und Kongressanfragen wieder deutlich angestiegen.  

Hissel:  Ein weiteres Thema, welches nicht nur für Aachen von Bedeutung ist, sondern für den Tourismus insgesamt, ist das Thema der Nachhaltigkeit. Sowohl bei der Entwicklung von touristischen Angeboten als auch in der Kommunikation mit den Gästen spielt dies eine immer größere Rolle.

Letztendlich wird aber die Aachener Altstadt mit dem Aachener Dom und der Nähe zu Karl dem Großen immer auch im Fokus bleiben. Um hier zukunftsfähig aufgestellt zu sein, wollen wir die Geschichte moderner erlebbar zu machen. Beide Themen verknüpfen wir im Rahmen der Nachhaltigkeitswerkstatt von Tourismus NRW. Hier arbeiten wir an einem Use Case im Bereich Augmented Reality.

Es wäre schön, wenn Aachen in der Zukunft nicht nur als historische Stadt wahrgenommen wird, sondern auch als Ort der Innovation und des nachhaltigen Tourismus.

Katrin Hissel
Vorständin aachen tourist servic e.v.

Welche Überschrift würden Sie gerne in zehn Jahren über Aachen lesen?

Hissel:  „Aachen – die Stadt, die Geschichte, Wissenschaft und Nachhaltigkeit vereint.“ Es wäre schön, wenn Aachen in der Zukunft nicht nur als historische Stadt wahrgenommen wird, sondern auch als Ort der Innovation und des nachhaltigen Tourismus.

Noerenberg:  Ich bin sehr engagiert im Sport. Mein großer Traum wäre es, ein Turnfest in Aachen auszurichten. Dafür fehlt uns momentan noch Infrastruktur, daher wäre es im wahrsten Sinne des Wortes sportlich, das in zehn Jahren zu lesen. Aber vielleicht in 15?

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