Kultureinrichtungen machen sich auf den Weg zur Klimaneutralität
Miriam Szwast bringt es auf den Punkt: „Nachhaltigkeit ist kein Thema „on top“, sondern wir müssen es tief in unseren Köpfen verankern“, sagt sie und meint damit alle Mitarbeitenden und Besuchenden des Museums Ludwig in Köln, das nach eigener Aussage als eines der ersten Museen Deutschlands die Stelle einer „Kuratorin für Ökologie“ geschaffen und die Nachhaltigkeitserklärung des Deutschen Nachhaltigkeitskodex abgegeben hat. Dies ist aktuell für die Kulturbranche nicht zwingend vorgeschrieben.
Doch auch andere Kultureinrichtungen in NRW haben die Dringlichkeit längst erkannt und lenken ihr Handeln, auch vor dem Hintergrund steigender Energiekosten, in eine neue Richtung. So wirtschaftet beispielsweise das Schokoladenmuseum in Köln bereits seit 2019 klimaneutral, Restemissionen werden durch die Unterstützung eines Aufforstungsprojektes in Mexiko ausgeglichen. Vor wenigen Monaten erhielt die Stiftung Zollverein den Förderbescheid des Landes „Zollverein - Klimaneutral 2030“ über rund eine Millionen Euro. Schon im Sommer 2021 hatte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) ein „Integriertes Klimaschutzkonzept“ vorgestellt. Das Ziel: Bis 2030 will der Verband mitsamt seinen insgesamt 1.400 Gebäuden, darunter 18 Museen, klimaneutral werden. Konkret bedeutet das, dass beispielsweise Neubauten wie das Eingangsgebäude des Freilichtmuseums Detmold durch den Einsatz regenerativer Energien weitestgehend klimaneutral geplant werden, bestehende Einrichtungen energetisch saniert und Umbaumaßnahmen eingeleitet werden.
Denkmalschutz stellt Zollverein vor besondere Herausforderung
Bei der Stiftung Zollverein in Essen betrachtet man die Aufgabe, das 100 Hektar große Gelände mit mehr als 90 Gebäuden und vielen Freiflächen nachhaltig zu gestalten, als große Herausforderung. Gleichzeitig sei es „eine einzigartige Chance“, einen geschichtsträchtigen Ort zu erhalten und zu schützen und ihn gleichzeitig in die Zukunft zu führen, wie die Referentin für Nachhaltigkeits- und Umweltmanagement, Anna Ehlert, sagt. Denn die einst größte Steinkohlenzeche der Welt steht unter Denkmal- und Welterbeschutz. „Das muss bei all unseren Entscheidungen und Vorhaben mitbedacht werden.“ Gelingen soll die Transformation unter anderem mit Hilfe von Geothermie, also der Wärme des Grubenwassers, beispielsweise bei der Klimatisierung von Räumen. Auch sollen verfügbare Flächen für die Energiegewinnung aus effektiven Photovoltaikanlagen erschlossen werden. „Zollverein war schon immer ein Energiestandort“, so Anna Ehlert. „Jetzt möchten wir aufbrechen – quasi von alter zu neuer Energie.“
Pilotprojekt für nachhaltiges Ausstellen
Nachhaltiges Handeln zeigt aber auch im Kleinen schon große Wirkung und bezieht neben der ökologischen auch die soziale Komponente mit ein, ohne die laut Miriam Szwast „die ökologische Transformation nicht gelingen kann“. Als sie ihren Job vor vier Jahren begann, war es ihr deshalb besonders wichtig, dass das Thema in allen Abteilungen und allen Arbeitsschritten am Museum platziert wird und innerhalb des eigenen Hauses Kapazitäten für kleine und große Maßnahmen freigegeben werden. Das kann der Fahrradständer ebenso sein wie der Umbau des Abfallsystems oder die Dachbegrünung, wie auch David Schmalenstroer, Projektkoordinator kultur-klima beim LWL, erklärt. Gemeinsam mit dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) hat der LWL die Informations- und Netzwerkplattform kultur-klima eingerichtet, um Institutionen beim Einsparen von Energie zu beraten.
Szwasts ehrgeiziges Ziel ist es, „dass die CO2-Bilanz irgendwann genauso wichtig wird wie die Zahl der Besuchenden“. Mit der Ausstellung „Die Grüne Moderne“, die im vergangenen Jahr mehr als 100.000 Besuchende in das Museum Ludwig in Köln lockte, hat sie einen weiteren Schritt in Richtung „nachhaltiges Ausstellen“ getan. Unter anderem wurde für die Schau die Ausstellungsarchitektur aus früheren Ausstellungen weiterverwendet bzw. von der hauseigenen Schreinerei umgebaut. Es wurde auf Originale aus fremden Sammlungen verzichtet und ausgediente Transportkisten und Kunstverpackungen dienen jetzt als Hochbeete für Kräuterpflanzen auf der Dachterrasse des Museums.
Auch beim LWL gehen die Überlegungen aktuell dorthin, die Laufzeiten der großen Sonderausstellungen zu verlängern und verstärkt auf Kooperationen zu setzen, um die Anzahl der Kulturtransporte künftig zu verringern. Das mag auf Anhieb banal klingen, trägt jedoch nicht unerheblich zur Verbesserung der CO2-Bilanz bei. So ergab erst jüngst eine Umfrage des Magazins Art, dass anlässlich von Biennalen und Festivals durchschnittlich 200 Flüge allein von Mitarbeitenden und für den Transport von Kunstwerken unternommen werden. Auch kennen nur sechs der 69 befragten Museen ihren tatsächlichen Plastikverbrauch.
Museumsbund empfiehlt Klimakorridor
An Dynamik gewonnen hat das Thema Nachhaltigkeit auch beim Deutschen Museumsbund. Noch in diesem Frühjahr will der Verband praktische Handlungsempfehlungen herausgeben, wie Museen ihren Beitrag zum Klima- und Umweltschutz leisten können. In einer eigens eingesetzten Arbeitsgruppe wurden Bereiche wie Ausstellen und Konservieren, Archivieren und Restaurieren, Transport von Objekten, Reisetätigkeiten von Mitarbeitenden und Publikum sowie auch bauliche Maßnahmen hinterfragt. Bereits empfohlen hat der Museumsbund vor dem Hintergrund der im vergangenen Jahr begonnenen Energiekrise die Einführung eines erweiterten Klimakorridors bei der Museumsklimatisierung statt eines bisher geltenden einzelnen Sollwerts zum Schutz des Kulturgutes. Entschieden werden muss darüber selbstverständlich im Einzelfall und unter Hinzuziehung von Fachleuten wie Restaurator:innen.